Gestern verabschiedete der Bundestag auch mit Unterstützung der Grünen das 3. Bevölkerungsschutzgesetz, das von vielen als so genanntes “Ermächtigungsgesetz” kritisiert wird. Dieser falschen und bewusst irreleitenden Formulierung möchte ich entschieden entgegen treten – im Gegenteil: das neu geschaffene Gesetz legitimiert die Bekämpfung der Pandemie demokratisch besser und stellt die ergriffenen Maßnahmen auf eine solide gesetzliche Grundlage. Die Beteiligung der gewählten Abgeordneten und Parlamente auf die je nach Lage angemessenen Maßnahmen wird vergrößert und verbessert.
Baden-Württemberg ging hier bereits früh voran und hat als einziges Bundesland mittels eines Landespandemiegesetzes die angemessene Beteiligung des Landtags sichergestellt.
Im Frühjahr haben wir erlebt, dass die kurzfristig erlassenen, sehr weitgehenden Maßnahmen und das umsichtige Vorgehen der Bürgerinnen und Bürger erfolgreich waren: Das exponentielle Wachstum und eine Überlastung unseres Gesundheitssystems konnte verhindert werden. Dies hat Menschenleben gerettet!
Nun müssen wir erneut akzeptieren, dass in unsere Grundrechte in noch nie dagewesener Tiefe eingegriffen wird. Grundrechte gewähren aber nicht nur Freiheitsrechte, sondern sie geben den Bürgerinnen und Bürgern auch einen Schutzanspruch. Aus dem Recht zu Leben und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit in Art. 2 II des Grundgesetzes folgt die Pflicht des Staates tätig zu werden, wenn diese Rechte bedroht sind. Das Bundesinfektionsschutzgesetz sieht für die Situation einer Pandemie – eine Situation, in der plötzlich das Risiko einer raschen Ausbreitung einer Seuche besteht – vor, dass die Landesregierungen unverzüglich per Verordnung befristet Grundrechte einschränken können.
Von Anfang an war Baden-Württemberg dabei das Land, das zwar entschlossen handelte, aber gleichzeitig keine unangemessenen Verbote erließ. So war es wichtig, dass sich Ministerpräsident Kretschmann beim Gipfel mit den 16 Ländern und dem Bund erfolgreich dafür einsetzte, Menschen weiterhin die Möglichkeit des Ausgangs und des Aufenthaltes an der frischen Luft zu ermöglichen. Denn das Ziel war und ist die Reduzierung der Kontakte und nicht die Reduzierung der Bewegungsfreiheit. Ausgangsverbote wie in Bayern haben wir immer abgelehnt!
Einen vollständigen Lock-Down möchte derzeit niemand – die Landesregierung tut daher alles dafür, dass dieser vermieden werden kann. Überhaupt nichts zu tun und alles so zu lassen wie es ist kann auch keine Option sein. Dies würde zu einem exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen und einer massiven Überlastung unseres Gesundheitssystem führen. Das Land bewegt sich daher zwischen diesen beiden Extremen und muss in diesem Zwischenbereich in Zusammenarbeit mit diversen Beratungsgremien (wissenschaftlicher Beraterkreis, Expertinnen und Experten aus Gesundheitsämtern, Labore, Krankenhausgesellschaft und Kommunale Landesverbände) Abwägungsentscheidungen treffen.
Liebe Bürgerinnen und Bürger, ich bitte Sie daher, halten Sie sich an die Maßnahmen, helfen Sie mit, dass wir in dieser 2. Welle der Pandemie schnell wieder die Kontrolle übernehmen und akzeptieren Sie die überschaubare Einschränkungen der Grundrechte zum Schutz der gesamten Bevölkerung.
Andrea Bogner-Unden