Durch die heutige (17. Juli 2021) Eröffnungsfahrt von Sauldorf über Meßkirch nach Mengen wächst das baden-württembergische Eisenbahnstreckennetz im Personenverkehr um 38 km: Unter dem Namen „Biberbahn“ ermöglichen Freizeitzüge immer sonn- und feiertags bis zum 17. Oktober Ausflüge in die Region zwischen Bodensee und Oberschwaben.
Viele Engagierte haben im letzten halben Jahr die seit 1972 für den Personenverkehr stillgelegte Strecke wieder ertüchtigt.
Meßkirchs Bürgermeister Arne Zwick freut sich, dass die Biberbahn nun endlich an Sonn- und Feiertagen, fahren darf: Das Engagement über viele Jahre habe sich bereits jetzt ausbezahlt. „Die Reaktivierung der Ablachtalbahn wertet unsere gesamte Region auf. Den Ausflüglern wird vor allem der Zugang zu Campus Galli erleichtert, und auch für die einheimische Bevölkerung ergeben sich damit ganz neue Verbindungen in Richtung Bodensee. Nun hoffen wir, dass die Biberbahn schnellstmöglich auch unter der Woche Fahrt aufnimmt. Damit ergeben sich dann auch ganz neue Perspektiven für die Berufspendler und Schüler“, so Meßkirchs Bürgermeister Arne Zwick.
Von einem ‚Tag der Freude, aber auch der Erleichterung‘ sprach Frank v. Meißner, Eisenbahnbetriebsleiter und Berater der Stadt Meßkirch: „In einem gewaltigen Kraftakt haben alle Beteiligten die Arbeiten abgeschlossen und alle notwendigen Unterlagen, Anträge und Genehmigungen erstellt: Die letzten behördlichen Genehmigungen trafen erst vor drei Tagen ein. Wir sind glücklich, es geschafft zu haben.“
Einen Rückschlag erlitten Anstrengungen unmittelbar vor der Eröffnung: Durch einen Bahndammschaden infolge der unwetterartigen Regenfälle musste der Streckenabschnitt zwischen Stockach und Sauldorf gesperrt bleiben. „Wir hoffen, hier in wenigen Wochen die Strecke wieder repariert zu bekommen und dann durchgehend von Stockach bis Mengen fahren zu können“, so Frank von Meißner.
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann war extra für die erste Fahrt angereist und würdigte das Engagement der Beteiligten: „Besonderen Dank verdienen die Stadt Meßkirch und die Gemeinde Sauldorf für die Übernahme der Strecke und damit deren Erhalt, trotz einiger Widerstände. Das Land unterstützt dies gerne mit der Bestellung des Ausflugsverkehrs und der Bezuschussung der Machbarkeitsstudie. Hoffen wir gemeinsam, dass die Ergebnisse dieser Studie auch die Skeptiker davon überzeugen werden, dass ein moderner Bahnanschluss ein Standortvorteil ist. Und wir hoffen auch, dass die aktuellen Schäden an der Strecke in Folge der starken Regenfälle rasch beseitigt werden, damit die Züge bald wie geplant rollen können. Der Freizeitverkehr kann dann zeigen, wie Bahnbetrieb mit modernen Fahrzeugen geht – auch wenn die Geschwindigkeit derzeit noch eher gemächlich ist.“
Die zweite Vorsitzende des Fördervereins Andrea Bogner-Unden dankt den zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützern der Ablachtalbahn. In den letzten Monaten seien noch viele praktische, bürokratische, aber auch politische Hürden bewältigt worden. Wenngleich die aktuelle Naturkatastrophe neue Hürden aufgebaut hat, ist Bogner-Unden fest davon überzeugt, dass die Ablachtalbahn ein wichtiges Projekt für die Zukunft des Kreises Sigmaringen ist. Bürgermeister Wolfgang Sigrist aus Sauldorf freut sich auf den Start der Biberbahn: „Seit 1972 fährt nun wieder eine regelmäßiger Bahnverkehr in der Region! Das ist eine große Bereicherung auch für die kleineren Gemeinden entlang der Ablachtalbahn.“
Severin Rommeler, der erste Vorsitzende des Förderverein Ablachtalbahn e.V., ergänzt: „Von Seiten des Vereins begrüßen wir die Wiederinbetriebnahme an Sonn- und Feiertagen und unterstützen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln den Ausbau der Strecke für den Stundentakt. In den Anrainergemeinden möchten wir weiter eine transparente Kommunikation aufrechterhalten.“
Regelmäßiger Personenverkehr geplant
Die kostengünstig bewerkstelligte Inbetriebnahme der Ablachtalbahn erlaubt nun einen bescheidenen Personen- und Güterverkehr mit Fahrgeschwindigkeiten von rund 50 km/h. Dabei soll es aber nicht bleiben: „Wir denken an eine hochwertige Reaktivierung im SPNV mit schnellen Zügen zwischen Ulm, Meßkirch und Bodensee im Stundentakt,“ so Eisenbahnbetriebsleiter Frank von Meißner: Hierfür werde noch im Juli eine technisch-betriebliche Machbarkeitsstudie auf den Weg gebracht, deren Ergebnisse Ende 2022 vorlägen, um die Entscheidung für das weitere Vorgehen zu treffen, so von Meißner.
Attraktive Ausflugsstrecke mit viel Geschichte
Unter dem Motto „Mit dem Biber durch drei Ländle“ fahren die Ausflugszüge auf der landschaftlich reizvollen Ablachtalbahn.
Die Geschichte der Bahntrasse liest sich wie ein Querschnitt der deutschen Geschichte. 1859 als Eisenbahnlinie zwischen Ulm, dem Bodensee und dem Schwarzwald durch die drei damals noch eigenständigen Gebilde Baden, Württemberg und Hohenzollern geplant, wird sie in der zweiten Jahrhunderthälfte im Deutschen Reich gebaut. Bis 1952, der Gründung Baden-Württembergs, fährt sie immer noch von den badischen Städten Radolfzell, Stockach und Meßkirch über das hohenzollerische Krauchenwies bis ins württembergische Mengen. Heute noch sind die Spuren der drei „Ländle“ aber überall gegenwärtig. Der Biber ist dabei der ständige Begleiter der Bahn. Feuchtgebiete, wie die Sauldorfer oder Krauchenwieser Baggerseen, bieten einen idealen Lebensraum für die geschützten Tiere. Bei der Fahrt durch das Tal der Ablach zeigen sich überall im Fluss die Bauten der fleißigen Arbeiter.
Die Gemeinden entlang der Strecke laden zu kulturellen und kulinarischen Erlebnissen ein. Neben den Museen in Meßkirch und Stockach verspricht die Klosterbaustelle Campus Galli eine Zeitreise ins Mittelalter. In vorchristliche Zeit führt ein Besuch des Keltenmuseums Heuneburg. Geheimtipp ist das Naturschutzgebiet Sauldorfer Seenplatte, ein Paradies für Zugvögel und gefährdete Vogelarten.
Die Fahrradmitnahme ist in den Zügen kostenlos, Wege entlang der Strecke laden zum Entdecken der Landschaft ein. Wanderungen und Führungen, auch auf den Spuren der Biber, runden das Angebot ab.
Gemütliche Gasthöfe laden zum Verweilen ein. An vielen Stellen erhalten Bahnreisende gegen Vorlage eines gültigen Tagestickets eine Vergünstigung.
Fahrplan: Drei Zugfahrten an Sonntagen
Die Züge fahren drei Mal pro Tag an Sonntagen und feiertags. Wegen der ungeplanten Streckensperrung fahren am So., 18. Juli, die Biberbahn-Züge der SWEG nur zwischen Sauldorf, Meßkirch, Menningen-Leitshofen und Mengen. Von Stockach nach Sauldorf fährt ein Ersatzbus in den Fahrzeiten der Züge.
Ab Sonntag, 25. Juli, wird ein durchgehender Busersatz Stockach – Mengen geplant.
Im Laufe des Augusts gehen dann die Biberbahn-Züge endlich durchgehend von Stockach nach Mengen an den Start.
Näheres finden Sie unter www.biberbahn.de.
Ein Rückblick in Bildern (Fotos: Ina Schultz)